Kasuistik
Anna-Katharina Eser
Neurologisches Zentrum,
Bezirksklinikum Mainkofen
Patientendaten
- Klaus, 42 Jahre
- Hat eine Sonderschule besucht und arbeitet in einer Einrichtung der Lebenshilfe
- Ledig, keine Kinder
Medizinische Anamnese
- Erstdiagnose Parkinson 2017
- Motorische und nicht-motorische Symptome:
- Kognitiv deutlich beeinträchtigt
- Schmerzen vor jeder anstehenden Dosis Levodopa, insbesondere Finger der linken Hand und linker Fuß
- Leichter linksseitiger Extremitätenrigor mit Zahnradphänomen
- Dystonie des linken Armes
- On-Off-Fluktuationen
- Neurologischer Aufnahmebefund:
- Beidseitige hyperechogene Darstellung der Substantia nigra (Hirnparenchymsonografie)
- Neurologischer Befund unauffällig
- Kraniale Kernspintomografie unauffällig
- Komorbiditäten:
- Frühkindliche Hirnschädigung durch Nabelschnurumschlingung
Bisherige Therapien
- Levodopa-Monotherapie
- Später zusätzlich Rotigotin-Pflaster (abgesetzt wegen Unverträglichkeit)
Behandlung
- Beginn im Frühjahr 2021:
- Gabe von Opicapon zusätzlich zur bestehenden oralen Levodopa-Medikation zur Besserung des Levodopa-Plasmaspiegels und Reduktion der On-Off-Fluktuationen
- Erhöhung der Levodopa-Dosis auf 600 mg/d
- Gabe eines aufgelösten Levodopa-Präparats um 6:30 Uhr aufgrund morgendlicher Akinese
- Intensive krankengymnastische und ergotherapeutische Behandlung
- Anfänglich deutliche Besserung der akinetisch-rigiden Symptomatik mit weniger und kürzeren Off-Phasen
- 4 Monate nach Therapiebeginn erneute stationäre Aufnahme wegen deutlich verschlechterter Symptomatik:
- Erneut starke Wirkfluktuationen mit End-of-dose-Dystonien
- Patient klagt über Krampfzustände mit Versteifung und Verkrampfung der linken Extremitäten einhergehend mit dem Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen
- Diskussion einer Apomorphin-Pumpe aufgrund:
- Deutlicher wiederkehrender On-Off-Fluktuationen
- Schwer ausgeprägten End-of-dose-Dystonien
- Schmerzhafter Dorsalflexion des gesamten linken Fußes
- Anlage einer Apomorphin-Pumpe (Flussrate: 4,5 mg/h) führte zu guter Beweglichkeit über den gesamten Tag ohne die Notwendigkeit weiterer Apomorphin-Boli
- Entlassung des Patienten im September 2021 in deutlich besserem Zustand
- September 2022: erneute, notfallmäßige Einweisung des Patienten aufgrund optischer Halluzinationen sowie Zönästhesien, zudem Verschlechterung der körperlichen Symptome:
- Wiederkehrende wahnhafte und beängstigende Halluzinationen
- Verringerte Beweglichkeit mit beidseitigem Extremitätenrigor
- Leichte beidseitige Bradydiadochokinese
- Kleinschrittiges Gangbild mit verminderter Mitbewegung beider Arme
- Zum Wenden wurden vier Schritte benötigt
- Unterbrechung der Apomorphin-Therapie aufgrund der ausgeprägten Halluzinationen, nach Abklingen Fortsetzung in deutlich geringerer Dosierung
- Beendigung der Apomorphin-Therapie nach Wiederauftreten optischer Halluzinationen und Zönästhesien auch bei geringerer Dosierung
- Beginn einer Levodopa-Monotherapie und im Verlauf Umstellung auf eine Kombination aus Levodopa/Carbidopa/Entacapon (LCE):
- Keine zufriedenstellende Besserung der akinetisch-rigiden Symptomatik unter oraler Therapie
- Diskussion einer intestinalen LCE-Medikation mittels Pumpentherapie
- Ende September 2022: komplikationslose Anlage einer PEG-Sonde
- Schrittweise Aufdosierung der LCE-Dosis auf eine Flussrate von 2 ml/h von 6 Uhr bis 22 Uhr und einem Morgenbolus (8 ml, 6 Uhr)
Behandlungserfolg
- Anfang Oktober 2022 konnte der Patient wieder in das häusliche Umfeld entlassen werden
- Der Patient zeigte unter der Pumpentherapie mit einem Morgenbolus eine gute Beweglichkeit über den gesamten Tag hinweg und benötigte nur selten Zusatzdosen
Fazit
Der Fall des Patienten Klaus zeigt, dass die intestinale Gabe von LCE nach Versagen einer oralen Medikation bzw. nicht tolerierbaren psychischen Nebenwirkungen unter einer Apomorphin-Pumpentherapie den Zustand massiv bessern konnte mit einer guten Beweglichkeit über den gesamten Tag. Mit der LCE-Pumpe ist der Patient im Rahmen seiner Möglichkeiten wieder in der Lage, in seinem häuslichen Umfeld selbstständig zu leben. Dieser Fall demonstriert darüber hinaus den Nutzen einer Pumpentherapie im Hinblick auf die hohe Therapieadhärenz, welche insbesondere bei kognitiv eingeschränkten Patienten wie Klaus aufgrund seiner frühkindlichen Hirnschädigung deutlich höher einzuschätzen ist gegenüber einer komplexen, in viele Einzeldosen aufgeteilten oralen Medikation.